In den letzten 10 Jahren war ich selbst immer wieder mit einer ernst zu nehmenden Krankheit beschäftigt. Während dieser Zeit habe ich als Atemtherapeutin und Karriere Coach viele Menschen dabei begleitet, nach Krankheit und Krise das Leben neu in die Hand zu nehmen.
Mein Umfeld ist stabil und meine Arbeit konnte ich mir in meiner Selbstständigkeit einteilen. In unterschiedlichen Gruppen konnte ich mich nach eigenem Ermessen mit oder ohne meine ernste Situation einbringen, zeigen und unterstützen lassen. Das ist ein Glücksfall und – im Vergleich zu dem, was ich in Coachings und Gesprächen erfahre – wohl eher eine Seltenheit. Entweder fehlt das Verständnis der eigenen Familienmitglieder (wenn es überhaupt eine Familie gibt) oder die RückkehrerInnen "reißen sich am Riemen", um nicht aus dem Arbeitsverhältnis heraus zu fallen, als nicht mehr Karriere tauglich betrachtet zu werden.
Ein Ort, an dem Menschen ihre verletzliche Seite ernst nehmen und zugleich praktisch an neuen Gestaltungsräumen arbeiten können, ist höchst selten und doch so notwendig.
Sogar Menschen, die schon Jahre die schwierige Phase der Rückkehr hinter sich gelassen haben, berichten: „Ich hätte Deine Arbeit damals so gut brauchen können.“ Oder: „Was für ein Geschenk, wenn mir jemand in dieser Phase den Rücken gestärkt, mir eine nützliche Erfahrung mitgegeben oder mir auch mal den Kopf gewaschen hätte.“
Die Biographien von RückkehrerInn zeigen größtenteils diese Verläufe auf:
Zum Gelingen einer Rückkehrphase aktiv beitragen
Gelingt die Phase des Rückkehrens – ob an den bisherigen Arbeitsplatz oder mit einer neuen Tätigkeit – nicht, droht oft nicht nur ein Rückfall, sondern Rückzug, Vereinsamung, finanzieller Rückschritt.
Um den sensiblen Übergang nach einer Ausfallzeit wirklich so zu unterstützen, dass sich Gesundheit und Arbeitskraft des Mitarbeiters stabilisieren – braucht es professionelle Begleitung: einen Rahmen, um auch in der Arbeitssituation neue Erkenntnisse umzusetzen und einen gesundheitsfördernden Umgang mit sich selbst zu pflegen und nicht in krankheitsverschärfende Muster und Strukturen zurückzufallen.
Im Mittelpunkt der Reboarding-Arbeit stehen Vertrauen, Verletzlichkeit,
Verbundenheit, Verantwortung.
Diese vier Fähigkeiten beeinflussen sich gegenseitig und sind wesentlich für eine gelingende Rückkehr ins (Arbeits-)leben. Dabei nehmen wir stets auch den Gegenpol mit in den Blick, also den Nutzen von sinnvollem Misstrauen, Robustheit (Resilienz), Distanz wahren und bei sich ein, sich führen lassen und Zuständigkeiten abgrenzen. Beide sind zwei Seiten einer Medaille, die sich bedingen und stützen. In Kürze können Sie hierzu im Blog mehr lesen.
Eine solche Kultur kann – auch von Einzelnen praktiziert – durchaus Präventivwirkung für das Arbeitsumfeld entfalten. Daher geht es Reboarding nicht um das schnelle „wieder fit machen“, sondern um eine langfristig tragfähige Aufrechterhaltung und Stärkung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit.
Wertvoll für den Einzelnen und das Unternehmen
Schaut man sich die Rückfallquoten nach stationären Aufenthalten wegen psychosomatischer Krankheitsbilder in 2013 an, so lagen diese innerhalb der ersten zwei Jahre bei 33%. Ebenso liegt die Ausfallquote nach längeren Krankheitsphasen von bis zu 6 Monaten bei 50% und nach 12 Monaten bei 90% - unabhängig von der Diagnose. (Quelle: Wirtschaftswoche, 24.09.2013).
Wenn Betroffene und ihr Umfeld die herausfordernde Situation leichter und letztendlich schneller meistern und dabei einen selbstverantwortlichen und
achtsamen Umgang finden, dient dieser Prozess Arbeitgebern, Sozialkassen, Vorgesetzten, Angehörigen und Betroffenen gleichermaßen.
Denn trotz aller Präventionsbemühungen lassen sich Krankheit und Krisen nicht gänzlich vermeiden. Im Gegenteil: Unser Arbeits- und Privatleben wird immer herausfordernder; sei es durch die Veränderungen in Wirtschaft oder Gesellschaft oder individuelle Optimierungsbestrebungen. Menschen können jedoch nicht immer zu hundert Prozent fit und leistungsfähig sein. Und so laden Krisen auch dazu ein, von den Erfahrungen und Haltungen Betroffener zu lernen.
Von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bestätigt
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bestätigt die Notwenigkeit der professionellen Begleitung in der Phase der Rückkehr. Chronische Krankheiten sind davon ebenso betroffen wie psychische Erkrankungen. Lesen Sie mehr über die Scoping Review zu Determinanten einer erfolgreichen betrieblichen Wiedereingliederung. Dazu ist auch das Buch von Ralf Stegmann und Ute B. Schröder Anders Gesund – Psychische Krisen in der Arbeitswelt: Prävention, Return-to-Work und Eingliederungsmanagement erschienen.
Weitere Informationen auf der F&E-Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Kommunikatives Handeln als ein Faktor im Betrieblichen Eingliederungsmanagement aus der Perspektive von Koordinatoren des Return-to-Work-Prozesses - Eine qualitative Analyse zur Entwicklung eines Praxisleitfadens